Hamburg (ots) - Der Finanzdienstleister AWD hat offenbar massiv gegen Provisionsregelungen verstoßen. Den neuen Erkenntnissen zufolge könnten Tausende geschädigte Anleger doch noch gerichtlich gegen den Konzern vorgehen. Nach Informationen des Radioprogramms NDR Info wurden vor und auch nach dem Börsengang des AWD im Jahr 2000 bei zahlreichen vom AWD vermittelten geschlossenen Fonds insgesamt mehr als 15 Prozent Vergütung gezahlt. Nach geltender Rechtsprechung hätte eine Provision von mehr als 15 Prozent den Kunden jedoch zwingend mitgeteilt werden müssen. Unter anderem sollen demnach beim Verkauf mehrerer Falk-Immobilienfonds sowie der Medienfonds IMF 1 und 2 teilweise mehr als 16 Prozent Provision geflossen sein. Einer der Falk-Fonds wurde den Informationen zufolge sogar mit 20 Prozent vergütet.
Insgesamt betreffen die Vorwürfe mehr als 20 Fondsprodukte, die der AWD um die Jahrtausendwende vertrieben hat.
Ehemalige Manager des AWD hatten dies dem Hamburger Rechtsanwalt Rolf W. Thiel eidesstattlich bestätigt. "Das war ein methodisches Vorgehen, das dem AWD auf Kosten der Kunden viel Geld eingespielt hat", so Thiel. "Zu den Mitwissern gehört sicherlich auch der damalige AWD-Chef Carsten Maschmeyer." Maschmeyer wollte sich dazu nicht äußern und verwies auf den AWD - der AWD wiederum verwies auf Maschmeyer.
Ehemalige hochrangige Berater des AWD erklärten gegenüber NDR Info, von den hohen Provisionszahlungen habe vermutlich nur ein enger Führungszirkel gewusst. Die Berater seien dagegen nicht informiert worden. "Wir sind damit selber vom AWD hintergangen worden, weil wir unsere Kunden unwissentlich falsch beraten und gegen unsere Pflichten verstoßen haben", sagte ein ehemaliger Direktor des Unternehmens.
Der lukrative Verkauf von geschlossenen Fonds sei um die Jahrtausendwende ein wichtiger Baustein für den Börsengang des AWD gewesen. "Es wurden nicht Produkte für die Kunden gesucht, sondern Kunden für die gewinnbringenden Produkte. Das war eine brutale Vertriebspraxis", erklärte auch Anwalt Rolf W. Thiel.
Die Vorwürfe, wonach bei vielen Fonds insgesamt mehr als 15 Prozent Provisionen flossen, sind für den AWD brisant: Viele geschädigte Kunden könnten damit noch Chancen erhalten, erfolgreich gegen den Finanzkonzern vorzugehen.
"Das könnte für den AWD und seinen Mutterkonzern Swiss Life sehr teuer werden", so der Hamburger Anwalt Thiel. Allerdings drohten viele Kunden leer auszugehen, die bisher noch nicht aktiv geworden seien:
Viele Fälle dürften zum Jahresende verjähren.
Recherchen des ARD-Politmagazins Panorama vom NDR hatten zuletzt ergeben, dass Zehntausende AWD-Kunden mit geschlossenen Fonds hohe Verluste gemacht hatten. Ex-AWD-Chef Maschmeyer sprach dagegen nur von "manchen Fällen".
Der AWD weist die Vorwürfe zurück - die tatsächlich geflossenen Provisionen seien marktüblich gewesen, mehr als 15 Prozent seien auf den AWD bezogen nicht nachvollziehbar und überhöht. Zudem unterlägen Einzelheiten dazu dem Geschäftsgeheimnis, so ein AWD Sprecher.
Der Finanzexperte Achim Tiffe vom Institut für Finanzdienstleistungen (iff) in Hamburg sieht dagegen die Chance auf neue Hoffnung für viele geschädigte Anleger: Sie könnten zumindest einen Teil der angelegten Gelder zurückerhalten, falls die Vorwürfe zutreffen sollten, so Tiffe. Geschäfte mit derart hohen Provisionen gelten als wirtschaftlich nicht tragfähig.
Rückfragen bitte an: Ilka Steinhausen, Jürgen Webermann, NDR Info Reporterpool, Tel.: 040 4156-2284