Donnerstag, 8. Dezember 2011

AWD drohen Rückzahlungen in dreistelliger Millionenhöhe | NDR.de - Der NDR - Presse - pressemitteilungen


Dem Finanzdienstleister AWD drohen Kunden-Rückforderungen in dreistelliger Millionenhöhe, weil er über eine Tochterfirma überhöhte Provisionen für Fondsgeschäfte kassiert haben soll. Die Vorwürfe beziehen sich nach Informationen des NDR-Magazins im Ersten "Panorama" und von NDR Info auf den Vertrieb von geschlossenen Fonds rund um den Börsengang im Jahr 2000. Dokumente aus der damaligen Zeit belegen, dass in vielen Fällen offenbar mehr als 15 Prozent Provision geflossen sind. Laut geltender Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hätte der AWD seine Kunden damals darüber aufklären müssen.
 
Diese Provisionen wurden den Recherchen zufolge über eine bisher weitgehend unbekannte Tochterfirma des AWD-Konzerns mit Namen Allgemeine Immobilien, Makler & Service GmbH (AIMS) abgewickelt. Zwischen dieser Tochterfirma und dem eigentlichen Finanzvertrieb des AWD wurden die Provisionen anschließend aufgeteilt.


Der ehemalige Geschäftsführer der AIMS, Hermann J. Winkler, bestätigte gegenüber NDR Info und "Panorama" diese Praxis. Er sagte: "... dass für mehr als 75 Prozent der Produkte eine Vergütung von mehr als 15 Prozent gezahlt wurde. Der Vertriebsvertrag zwischen AIMS und AWD sah vor, dass maximal 11 Prozent Provision von der AIMS weitergegeben wurde." Der Rest sei bei AIMS verblieben. Da jedoch beide Unternehmen dem AWD-Konzern gehörten, seien die gesamten Provisionen von über 15 Prozent die Konzernbilanz eingeflossen, so Winkler weiter. "Das hat letztendlich auch zum erfolgreichen Börsengang des AWD beigetragen." Das Umsatzvolumen im Geschäft mit den geschlossenen Fonds habe schätzungsweise zwischen 500 und 700 Millionen Euro gelegen.


Der frühere Geschäftsführer AWD-Vertrieb, Jörg Jacob, bestätigte die Angaben Winklers. In den Beratungsgesprächen mit AWD-Kunden seien hohe Provisionen von mehr als 15 Prozent damals nicht angesprochen worden, "weil es auch kein Bestandteil der Beratungsgespräche sein musste". Der Bundesgerichtshof hatte 2004 erstmals klargestellt, dass Finanzberater wie der AWD die Kunden aufklären müssen, wenn mehr als 15 Prozent Provision fließen. Das Urteil gilt auch rückwirkend.


Der AWD bestreitet die Vorwürfe, Provisionszahlungen von mehr als 15 Prozent erhalten zu haben. Die Provisionspraxis habe immer im Einklang mit der geltenden Rechtsprechung gestanden, betonte ein Sprecher des Konzerns.


Derzeit reichen rund zweitausend AWD-Kunden an verschiedenen Landgerichten Klagen ein. Da die meisten Fälle Ende des Jahres verjähren, könnte diese Zahl kurzfristig noch einmal deutlich steigen. Nach "Panorama" und NDR Info vorliegenden Dokumenten hatten sich allein an zwei Medienfonds mehrere Tausend Kunden beteiligt. Für den Vertrieb dieser Fonds hatte der AWD-Konzern den Ex-Managern zufolge ebenfalls insgesamt mehr als 15 Prozent Provision kassiert. Auch diesen Sachverhalt bestreiten der AWD und der betroffene Fondsemittent.


Der Hamburger Finanzrechtler Rüdiger Veil bezeichnet die neuen Erkenntnisse als "Paukenschlag": "Das kann ein Durchbruch sein für Anleger. Es geht da ja um beträchtliche Summen." Die Klagen hätten deshalb wohl auch gravierende Auswirkungen auf die Bilanz des AWD, weil das Unternehmen voraussichtlich Rückstellungen vornehmen müsse. Angesichts des hohen Umsatzvolumens könnte es sich dabei um einen dreistelligen Millionenbetrag handeln.


Der AWD war 2008 an den schweizerischen Versicherungskonzern Swiss Life verkauft worden. Inzwischen ist bekannt geworden, dass Swiss Life die Rückstellungen für Rechtsstreitigkeiten erhöht haben soll. Der langjährige AWD-Chef und Swiss-Life-Großaktionär Carsten Maschmeyer will sich Medienberichten zufolge zudem aus dem Konzern zurückziehen. Er soll unzufrieden sein mit der Art, wie AWD mit den Rechtsstreitigkeiten umgehe.





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