Volker Bergeest
Die schwierigen und dramatischen Rettungs- und Bergungsarbeiten der "Costa Concordia" dauern an. Allianz Global Corporate & Specialty (AGCS) ist einer der weltweit führenden Transportversicherer. Sie deckt einen kleinen Anteil in einem weltweiten Versicherungskonsortium für die Costa-Kreuzfahrtflotte. Allianz.com sprach mit Dr. Volker Bergeest über das Schiffsunglück. Als Global Head of Marine Underwriting zeichnet er bei AGCS weltweit Transportrisiken.
Vor 100 Jahren ist die Titanic gesunken – und nun lief die Costa Concordia vor der italienischen Küste auf Grund. Ein Ausnahmeereignis?
Bergeest: Ich bin seit fast 30 Jahren in diesem Geschäft. Mit der "Herald of Free Enterprise" 1987 und der "Estonia" 1994 erinnere ich mich an zwei große Unglücke mit Personenfähren, es gab den Brand während des Baus der "Diamond Princess" im Jahr 2002 in Japan.Aber ein vergleichbares Unglück eines gut besetzten Kreuzfahrtschiffes ist mir nicht in Erinnerung. Mit der Costa-Reederei hat es einen erstklassigen und führenden Vertreter der Branche getroffen, der für höchste Standards bekannt ist.
Glücklicherweise kamen die meisten Passagiere mit einem Schrecken und leichten Blessuren davon. Aber jeder Todesfall ist einer zuviel – und es werden ja noch einige Passagiere vermisst. Es ist allerdings nicht so, dass wir als Transportversicherer von einem solchen Seeunfall völlig überrascht würden. Wir spielen solche Schadenszenarien in unseren theoretischen Modellen durch, hoffen aber natürlich, dass sie nie eintreffen werden.
Wie ist ein Kreuzfahrtschiff versichert?
Im Grunde ist es einfach. Ein Schiff ist versichert wie ein Auto. Es gibt eine Kasko- und eine Haftpflichtversicherung – und das im Übrigen schon seit Jahrhunderten. Heute stehen riesige Summen auf dem Spiel, ein Kreuzfahrtschiff der neuesten Generation kostet bis zu einer Milliarde Euro. Solche Großrisiken lassen sich für die Kasko nur in einem Versicherungskonsortium schultern.
Es gibt einen oder mehrere Führungsversicherer, die den Vertrag aushandeln und weitere Versicherer beteiligen sich dann daran. Diese "Beteiligten" übernehmen gegen einen Teil der Prämie jeweils einen Teil des Risikos. Als ein solcher Beteiligter werden wir für einen Teil des Gesamtsachschadens der Costa Concordia aufkommen. Dass wir solche Schäden jederzeit zahlen können, dafür sorgt unsere weltweite Ausbalancierung und Streuung unserer Schifffahrtsrisiken im Rahmen eines Portfolios.
Tausende von Passagieren sind betroffen. Wie ist die Haftung gegenüber Dritten geregelt?
Für die Haftung gegenüber Dritten unterstützen sich die Schifffahrtsunternehmen gegenseitig über sogenannten "Protection & Indemnity Clubs". Dabei handelt es sich um Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit, über die die Branche den Haftpflichtschutz selbst organisiert. Jedes Unternehmen zahlt ein und Schäden werden dann aus der gemeinsamen Kasse ausgeglichen.
Was können Sie zur Höhe des Schadens sagen?
Es ist noch viel zu früh für irgendwelche Aussagen. Es gibt den Schaden am Schiff selbst, dieser wird sich in den nächsten Monaten klären lassen. Dessen Höhe wird beispielsweise stark davon abhängen, ob es gelingt, das Schiff wieder flott zu machen und zu reparieren oder ob das Wrack im schlimmsten Fall vor Ort in seine Einzelteile zerlegt werden muss. Im Bereich Haftpflicht kann die Schadenbearbeitung langwierig sein, je nachdem zu welchem Ergebnis die rechtlichen Ermittlungen und mögliche Folgeprozesse kommen.
Kommen die Versicherer auch dann für den Schaden auf, wenn der Kapitän vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat?
Ja, eine Reederei ist üblicherweise auch gegen menschliche Fehler des Kapitäns oder der Mannschaft geschützt. Ich warne aber vor verfrühten Verurteilungen. Es wird Wochen und Monate dauern, bis gründliche Ermittelungen der Behörden bzw. des Unternehmens in eigener Sache die Wahrheit über die Geschehnisse ans Licht bringen werden. Bis dahin können wir unseren Kunden am besten helfen, indem wir sie auf Anfrage schnellstmöglich unterstützen.
Diese Aussagen stehen, wie immer, unter unserem Vorbehalt bei Zukunftsaussagen, der Ihnen oben rechts zur Verfügung gestellt wird.
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